GERMANY / AGILITYPR.NEWS / September 01, 2021 / Auf den niederländischen Wattenmeerinseln Vlieland, Terschelling, Ameland und Schiermonnikoog werden seit mehreren Tagen unzählige tote Schweinswale angespült. Allein am Strand von Ameland wurden 26 tote Wale entdeckt, und es werden immer mehr. Der Grund für das Massensterben ist derzeit noch unklar, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Militäraktivitäten diese Katastrophe verursacht haben könnten.
Vermutlich trieben die toten Wale bereits über einen längeren Zeitraum auf dem Meer. Die Kadaver weisen alle einen ähnlichen Verwesungszustand auf, was darauf schließen lässt, dass die Schweinswale annährend gleichzeitig und durch dasselbe Ereignis gestorben sein müssen. Auslöser der Anstrandungen war der stetige Nordwind, der in den letzten Tagen vorherrschte und das Massensterben nun offenbarte.
"Etliche Wale auf den Fotos wiesen Hämatome und für Fraßspuren untypische Hautdefekte auf. So war mein erster Gedanke, dass das eine Folge von Altmunitionssprengung sein könnte", sagt Denise Wenger, Vorsitzende von Schweinswale e.V., und eine der ersten in Deutschland, die von der ungewöhnlichen Massenstrandung hörte. "Dass Militärübungen und ungesicherte Altmunitionssprengungen jährlich massenhaft tote Schweinswale verursachen, wird schon lange vermutet. Auch in deutschen Gewässern finden solche Übungen und ungesicherte Sprengungen statt. Das ist unverantwortlich!", kommentiert Wenger.
"Die Zahl der Schweinswale, die seit Mitte letzter Woche an den niederländischen Küsten angespült wurden, ist extrem hoch", erklärt Lonneke IJsseldijk von der niederländischen Universität Utrecht, wo die Tierkadaver untersucht werden. "Unter den gestrandeten Tieren befinden sich viele erwachsene Tiere. Eine derartig hohe Sterblichkeit älterer Tiere haben wir noch nie erlebt."
Die Todesursache und das Ausmaß der Verluste sind unklar und immer noch werden weitere, auf dem Meer treibende, tote Schweinswale gesichtet – IJsseldijk rechnet daher mit weiteren Anstrandungen in den kommenden Tagen. Rund 20 Kadaver wurden bereits für eine eingehende Untersuchung eingefroren. Doch angesichts des Verwesungszustandes der toten Wale könnte die genaue Todesursache schwierig zu ermitteln sein.
Zwischenzeitlich gibt es Mutmaßungen darüber, was den Tod all dieser Schweinswale ausgelöst haben könnte. Neben einer möglichen Virusinfektion stehen vor allem militärische Aktivitäten im Fokus der Spekulationen.
So findet seit 23. August eine großangelegte internationale Minenräumübung mit rund 600 Soldat*innen vor der Insel Ameland statt. Doch militärische Aktivitäten im Meer werden nicht mit Blick auf die Umwelt geplant und durchgeführt. Um die Meeresbewohner vor dem tödlichen Schalldruck zu schützen, sind beispielsweise doppelte Blasenschleier oder andere Schalldämmungsmethoden nötig. Die Anstrandung so vieler verendeter Wale spricht dafür, dass derartige Schutzmaßnahmen auch diesmal nicht angewandt wurden. Erst im Jahr 2019 starben in der deutschen Ostsee Dutzende Schweinswale, nachdem dort die Bundeswehr in Kooperation mit der NATO mitten in ausgewiesenen Schutzgebieten Minen ohne jegliche Vorsorge gesprengt hatte. Damals war geltendes Naturschutzrecht gebrochen und das Umweltministerium erst gar nicht informiert worden.
"Wenn sich herausstellt, dass militärische Aktivitäten die aktuelle Massenstrandung verursacht haben, haben wir einen handfesten Umweltskandal", erklärt Fabian Ritter, Leiter Meeresschutz bei Whale and Dolphin Conservation. "Schweinswale sind europaweit streng geschützt. Dass militärische Aktivitäten immer wieder über geltendes Naturschutzrecht gestellt werden, kann nicht länger hingenommen werden: Gerade in Zeiten des Klimawandels und des stetig fortschreitenden Artensterbens ist es inakzeptabel, dass die Militärs einen Freischein zur Naturzerstörung bekommen, die zu massivem Biodiversitätsverlust führen. Das Leben von Seevögeln, Robben, Walen und Fischen wird hier fahrlässig aufs Spiel gesetzt. Es wird Zeit, dass sich auch das Verteidigungsministerium seiner Verantwortung für den Erhalt des Ökosystems Meer bewusst wird."
Schweinswale e.V. und Whale and Dolphin Conservation setzen sich bereits seit vielen Jahren für den Schutz der Schweinswale in deutschen sowie europäischen Gewässern ein. Beide Organisationen kritisieren scharf, dass militärische Übungen mitten in Schutzgebieten immer noch erlaubt sind.
Gestrandete Schweinswale auf Ameland. (C) Rob Knoeff / RTZ
Auffällige Hämatome und Hautdefekte in den Kadavern. (C) Andreas Reuland / Schweinswale e.V.
About Us
Schweinswale e.V.
Schweinswale e.V. führt ein effektives Sichtungs- und Todfundmeldeprogramm (Citizen Science) für Schweinswale durch, das sich in den letzten Jahren entlang der Nord- und Ostseeküste ausgeweitet hat. Durch das Sichtungsprogramm gelang der Erstnachweis des regelmäßigen frühjährlichen Vorkommens von Schweinswalen in den Flüssen Weser und Elbe und ihrer Jagdaktivitäten im Hamburger Hafen. Ebenso werden Todfunde schnell entdeckt. Eine rasche Bergung und Untersuchung von Totfunden ist sehr wichtig, um die Todesursachen und Krankheiten ermitteln und Schutzempfehlungen geben zu können.
Schweinswale e.V. ist ein ehrenamtlich tätiger, gemeinnütziger Verein, der sich mit Forschung und Projekten zum Schutz von Schweinswalen und Delfinen einsetzt.
Whale and Dolphin Conservation
Whale and Dolphin Conservation (WDC) ist die weltweit führende gemeinnützige Organisation, die sich ausschließlich dem Schutz von Walen und Delfinen widmet. Im Rahmen von Kampagnen, politischer Überzeugungsarbeit, Bildung, Beratung, Forschung, Rettungs- und Schutzprojekten sowie Mitmach-Aktionen verteidigt WDC Wale und Delfine gegen die zahlreichen Gefahren, denen sie heute ausgesetzt sind. Das kommt auch dem Klima zugute, da Wale unsere Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel sind und eine wichtige Rolle im Ökosystem Meer spielen. WDC-Expert*innen arbeiten in nationalen, europäischen und internationalen Arbeitsgruppen, sind in allen relevanten internationalen Foren vertreten und haben direkten Einfluss auf maßgebliche Entscheidungen zur Zukunft von Walen und Delfinen. Wir sind Ansprechpartner*innen für Medien, Öffentlichkeit und Entscheidungsträger*innen.
WDC arbeitet als gemeinnützig anerkannte Körperschaft politisch unabhängig und finanziert sich über Spenden und Stiftungsmittel.
Unsere Vision: Eine Welt, in der alle Wale und Delfine in Freiheit und Sicherheit leben.
Datenschutzerklärung
Ihre Daten werden zur Bearbeitung Ihrer Bestellung gemäß Art. 6 Abs. 1 f DSGVO verarbeitet. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung auf whales.org/datenschutzerklaerung. Unsere Datenschutzbeauftragte erreichen Sie ebenfalls unter unserer Anschrift.
Contacts